Als wir aus unserem Flugzeug auf der Azoreninsel Pico steigen, sehen wir den majestätischen Berg sofort. Der Vulkan Pico ragt 2351 Meter hoch in den Himmel. Was für ein Anblick.
Der Pico ist nicht nur der höchste Berg Portugals sondern auch einer der höchsten Vulkane Europas. Wie „ruhend“ er ist, wissen wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Aber wir sollen es bald erfahren.

Es ist unser erster Aufenthalt auf den Azoren. Neun Inseln gehören zu dieser portugiesischen Inselgruppe weit entfernt vom Festland mitten im atlantischen Ozean. Bei unserer Ankunft auf Pico haben wir schon zweimal die Uhr zurückgestellt. Die erste Stunde bei einem längeren Zwischenstopp in Lissabon, das zweite Mal auf Pico selbst. In Deutschland ist es bei unserer Ankunft schon 19 Uhr und vermutlich fast dunkel, hier ist es noch taghell. Außerdem ist es warm. Die Insel empfängt uns mit freundlichen 24 Grad, sofort stellt sich Urlaubsfeeling ein.
Innerhalb der nächsten zwei Wochen möchten wir den Pico besteigen. Wir wissen aber, dass das Wetter auf den Azoren immer so eine Sache ist und haben uns deswegen noch kein „Pico-Ticket“ im Vorfeld besorgt. Erstmal vor Ort den Wetterbericht checken.

Ein Taxi bringt uns für 15 Euro zu unserer ersten Unterkunft in Madalena. Die ersten Tage hier auf der Insel übernachten wir im Bed & Breakfast „Joe’s Place“. Von dort aus sind es nur 20 Minuten mit dem Mietauto zum Parkplatz und dem Start der Pico-Tour.
Für die Pico-Besteigung braucht man eine Genehmigung
Möchte man den Pico ohne Guide besteigen, braucht man ein Ticket. Das funktioniert über das Online-Portal der Casa de Montanha. Es kostet 25 Euro pro Person und man bekommt einen GPS-Tracker für das Handgelenk, um im Ernstfall geortet werden zu können. Da der Pico ein Naturschutzgebiet ist, werden pro Tag nur 160 Bergsteiger hinaufgelassen.
Leider sind die Slots aber gerade in den Sommermonaten oft ausgebucht und tatsächlich war das auch bei uns der Fall. Wir bekommen den Tipp, einfach hinzufahren und vor Ort zu fragen, ob Plätze frei sind. Drei Tage nach unserer Ankunft auf Pico soll das Bergwetter angeblich recht gut werden, wir hoffen auf unsere Chance.
Besteigung des Pico: Wird es heute klappen?
Kurz nach 7.30 Uhr erreichen wir Casa de Montanha (1230 Meter), die Basisstation der Bergrettung. Es regnet in Strömen und Wasserbäche schießen uns schon am Parkplatz entgegen. „Der Berg ist heute geschlossen, wir lassen niemanden hinauf“, erfahren wir kurze Zeit später.
Dafür bekommen wir den Tipp, dass wir uns für den nächsten Tag jetzt online Tickets kaufen können. Zwar ist nur ein Slot ab 12 Uhr zu ergattern. Das sei aber in der Regel kein Problem, wir sollen einfach schon früher kommen und dann schauen sie mal. Obwohl wir gerade vor Ort waren, gab es übrigens keine Chance, das Ticket direkt am Schalter zu kaufen – das muss man online machen.
Beim zweiten Anlauf spielt das Wetter endlich mit
Als wir heute ins Auto steigen, ist der Himmel sternenklar. Es ist 7.30 Uhr und noch stockdunkel, die Sonne wird erst in einer halben Stunde aufgehen. Schon auf der Fahrt hinauf ins Hochland sieht heute alles viel freundlicher aus als gestern. Die ersten zarten Sonnenstrahlen tauchen unsere Umgebung in ein herrliches Licht und lassen sogar einen Blick auf den Pico zu.

Wir sind erneut versorgt mit einem Lunchpaket unserer netten Gastgeberin Claudia und wissen, dass uns wieder etwas Leckeres erwartet.

Vor dem noch geschlossenen Eingang am Casa de Montanha tummeln sich schon jede Menge Pico-Aspiranten. Dann geht alles ganz schnell. Nach kurzem Blick auf unsere 12 Uhr-Tickets, bekommen wir zwei GPS-Tracker. Außerdem wird kontrolliert, ob wir ordentliche Bergschuhe tragen. Die Tür wird geöffnet, wir dürfen starten.

Über ein paar steile Stufen erreichen wir den Einstiegspfad und sind an dem Tag tatsächlich die ersten, die loslaufen.

Der gut begehbare Pfad schlängelt sich durch eine üppige Vegetation. Wir sind umgeben von mannshohem Azoren Heidekraut und einer Vielzahl anderer Pflanzen.

Schau an, wer tummelt sich denn hier?

Der Pico ist ein derzeit ruhender Schichtvulkan. Zuletzt ist er im Dezember 1720 ausgebrochen. Der Untergrund, auf dem wir laufen, besteht aus erstarrter und scharfkantiger Lavamasse. Ich bin froh über meine langen Hosen und die festen Bergschuhe.
Nach 25 Minuten erreichen wir einen ummauerten Vulkanschlot. Hier dreht der Weg nach rechts ab.

Mit herrlichen Ausblicken hinüber auf die wolkenüberdeckte Insel Faial steigen wir zügig auf.

In regelmäßigen Abständen ist der Weg mit Pfosten markiert. Bis hinauf auf den Gipfel sind es 47 an der Zahl. Außer diesen Pfosten gibt es nur sehr spärlich mal eine Markierung direkt am Fels. Gut vorstellbar, dass man sich bei dichtem Nebel, der hier oft herrscht, schnell verirren kann. Da wir zusätzlich ein Garmin mit GPS-Track dabei haben, machen wir uns keine Sorgen.

Angekommen auf einem Felskamm weist die Markierung jetzt steil nach oben. Über steinharte Lava geht es die Direttissima hinauf und wir brauchen öfter mal die Hände.

Es ist nicht immer ganz klar, ob man die optimale Wegführung gefunden hat. Bei Pfosten 17 erreichen wir einen Platz zum Verschnaufen.

Die Sicht ist gut, wir können die Pfosten, die uns den Weg weisen, gut erkennen. Ab einer Höhe von 1900 Metern lässt die Vegetation merklich nach.
Der Weg wird wieder etwas einfacher und ein klar erkennbarer Pfad windet sich halb um den Berg herum. Im Tal die Wolken, hier Sonnenschein. Es wird so warm, dass wir kurzärmelig laufen können.

Nach einem letzten steilen Stück erreichen wir bei Pfosten 46 den Kraterrand.

Ehrfürchtig blicken wir hinein, da sich gerade eine Wolke hindurchschiebt, sind die Ausmaße nur zu erahnen.
Wir steuern geradewegs auf den Piquinho zu, den kleinen Kegel, der sich aus dem Kraterrand erhebt.

Noch 100 Höhenmeter trennen uns jetzt vom Gipfel. Über Steine und Geröll steigen wir auf und erreichen schließlich eine schmale und sehr steile Aufstiegsrinne.

Es gibt genügend gute Griffe und Tritte, der Aufstieg gestaltet sich als nicht besonders schwierig. Erstaunt stellen wir fest, dass aus zahlreichen Löchern warme Luft strömt. Von wegen ruhender Vulkan!

Dann ist es geschafft. Nach 2,45 Stunden stehen auf dem Pico, dem höchsten Berg Portugals. Die Gipfelmarkierung lässt keinen Zweifel aufkommen, wo man sich befindet.

Leider ist der Gipfel in eine Wolke gehüllt und wir können nur einmal ganz kurz ein paar Ausblicke erhaschen. Nach ausgiebiger Gipfelrast und den obligatorischen Fotos machen wir uns wieder an den Abstieg.

Dazu geht’s zunächst auf gleichem Weg zurück. Angekommen im Krater, schiebt der Wind die Wolken beiseite und öffnet uns den Blick zurück auf den Aufstiegsweg und den Piquinho. Strahlend blauer Himmel jetzt am Gipfel. Schade, hätten wir ein paar Minuten länger am Gipfel gewartet…

Dafür offenbaren sich für uns jetzt die Ausmaße des riesigen Kraters, den wir nun auf unmarkierten Pfaden noch eine Weile erkunden. Im Tal werden geführte Pico-Touren mit Übernachtungen hier im Krater angeboten. Sicherlich auch ein Erlebnis.

Dann begeben wir uns an den Abstieg. Der Abstiegsweg gleicht nahezu dem Aufstiegsweg. An einer Stelle wird der Abstieg nach links geleitet und in einer kleinen Schleife erreicht man kurze Zeit darauf wieder den Aufstiegsweg.
Wie wechselhaft das Wetter sein kann, erleben wir am Pico hautnah. Soeben noch blauer Himmel, sind wir jetzt wieder in einer Wolke verschwunden und es fängt sogar ganz leicht zu nieseln an.

Kurze Zeit später ist der Spuk vorbei, wir kommen aus den Wolken heraus und genießen wieder die Sonne.

In der Ferne erspähen wir sogar schon wieder den Parkplatz am Casa de Montanha. Nach 2,45 Stunden Abstieg beenden wir hier unser Pico-Abenteuer und eine fantastische Bergtour.
Fazit: Ungewöhnliche Bergtour auf einen formschönen Vulkan
Zwei Tage vor unserer Tour auf den Pico haben wir uns unterhalten, wie wohl der Weg und die Schwierigkeiten hinauf sein werden. Wir sind gespannt, ob es so sandig und mühsam sein wird, wie am Kilimandscharo oder einem der Vulkane, die wir in Peru und Bolivien bestiegen haben. Ein Schritt vor, zwei zurück, das kennen wir schon.
Der Pico ist tatsächlich etwas komplett anderes. Kein Sand, kaum Geröll, dafür jede Menge erstarrte dunkle Lava und hartes Gestein. Gerade beim Abstieg heißt es aufpassen und konzentriert bleiben, dass man nicht mit dem Fuß in einem der Löcher verkeilt oder stürzt. Die Vegetation im unteren Teil ist traumhaft schön, der Blick oben hinein in den riesigen Krater gigantisch. Die Besteigung des Pico gilt zurecht als eines der Berghighlights auf den Azoren. Wir freuen uns schon drauf, was uns auf den anderen Inseln erwartet.
Und noch ein Tipp: Wer wie wir ein paar Tage auf Pico verbringt oder einen Schlechtwettertag überbrücken möchte, dem sei eine Walwatching-Tour empfohlen. Die Insel Pico gilt als der Walwatching-Hotspot der Azoren schlechthin. Am Hafen in Madalena gibt es verschiedene Anbieter, aber auch in Lajes. Natürlich gehört immer auch Glück dazu, die Tiere dann tatsächlich zu Gesicht zu bekommen. Wir haben auf unserer Tour nicht nur Wale sondern auch riesige Delphinschwärme gesehen. Ein unvergessliches Erlebnis.
Höhe „Pico“: 2351 Meter
Höhenmeter: 1107 hoch, 1106 runter
Kilometer: 9,5
Zeit bis zum Gipfel: 2,45 Stunden
Gesamtzeit (inkl. Pausen): 5,52 Stunden
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